Vier Jahrzehnte Bürgerrechtsarbeit des Hessischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma
Die beiden Autoren Malte Clausen und Rinaldo Strauß haben ihr Buch im Gespräch mit Romeo Franz und Katharina Rhein vorgestellt. Das Buch befasst sich ausgehend von Interviews mit verschiedenen Bereichen der Bürgerrechtsarbeit und lässt dabei die Beteiligten der Bewegung und ihre Verbündeten selbst zu Wort kommen. Meilensteine des Kampfes um Anerkennung aus vier Jahrzehnten der in den 1970ern gegründeten Bewegung werden so auf anschauliche Weise dokumentiert. Das Buch schlägt einen Bogen von der Situation der Überlebenden des NS-Völkermords in der Nachkriegszeit bis zu Antiziganismus und der Bürgerrechtsarbeit heute.
In der Veranstaltung wurde ausgehend vom Buch an hand von Bildern ein Rückblick auf die Bürgerrechtsarbeit der letzten Jahrzehnte vorgenommen, aber auch der Frage nachgegangen, was man aus dem Rückblick für aktuelle und künftige Kämpfe mitnehmen kann.
Der Vortrag vom 11.5.2021 von Prof. Dr. Benjamin Ortmeyer über den Aufstand von Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau vor 77 Jahren kann hier ebenso wie das Grußwort von Jochen Partsch, Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt, noch nachträglich geschaut werden.
Außerdem gibt es hier, auch die Präsentation zum Vortrag von Herrn Ortmeyer.
Wir freuen uns sehr, dass die Hessische Landesregierung Vili Viorel Păun für seinen selbstlosen Einsatz beim Anschlag von 19. Februar 2020 in Hanau nun posthum die Hessische Medaille für Zivilcourage verleiht.
In der Nacht des 19. Februar wurde Vili Viorel Păun Zeuge des ersten Anschlags. Daraufhin verfolgte er den Täter selbst und versuchte mehrere Male den polizeilichen Notruf zu erreichen. Dieser war jedoch unterbesetzt und Vili Viorel Păun konnte niemanden erreichen. Am zweiten Anschlagsort wurde er vom Täter in seinem Auto ermordet.
Diese Entscheidung ist eine Anerkennung für Vili Viorel Păuns Zivilcourage und seinen Versuch Menschenleben zu retten, obwohl es ihn selbst in Gefahr brachte. Es ist aber ebenso ein bedeutendes und notwendiges Signal gegen rechten Terrorismus in Hessen.
Der Hessische Landesverband führte im August 2020 ein Interview mit den Eltern von Vili Viorel Păun über ihren Sohn und sein Leben. Zum Interview.
Am 11. April 1945 befreiten US-Truppen das Konzentrationslager Buchenwald. Auch Heinz Strauß wurde in einem der dortigen Außenlager befreit.
Im Interview berichtet Heinz Strauß (*1925) von seiner Zeit in seiner Heimatstadt Cölbe, bei Marburg und wie seine Familie noch vor der Deportation gewarnt wurde, ohne Papiere allerdings keine Chance sah, zu entkommen. Und so wurde die Familie nach Marburg gebracht, von wo sie mit anderen Sinti am 23. März 1943 über Kassel nach Auschwitz deportiert wurde. Hier erfolgte die erste Selektion, wer zu gebrechlich war, kam ins Gas — aber das wusste Heinz Strauß zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Er wurde von seinen Eltern getrennt und musste im Hauptlager in Auschwitz Zwangsarbeit leisten. Er musste miterleben, wie sein Bruder ermordet wurde. Er selbst wurde nach Buchenwald verlegt und von hier weiter in verschiedene Außenlager. Im Interview berichtet er, wie er in Mittelbau-Dora als Mauerer arbeiten musste und von der SS so furchtbar verprügelt wurde, dass er in den Krankenblock eingeliefert wurde. Heinz Strauß kam u.a. auch in das Lager Ellrich, wo er für kurze Zeit seinen Vater wieder traf. Er war so abgemagert, dass er ihn zuerst nicht wiedererkannte und umgekehrt, konnte auch sein Vater ihn nicht erkennen. Sie wurden wieder getrennt, weil Heinz Strauß in ein anderes Lager kam, aber beide überlebten. Seine Mutter, sein Bruder, drei Schwestern, zwei Nichten, ein Neffe und zahlreiche Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen aber wurden ermordet.
Am 23. März wurde den verfolgten Sinti in Marburg vor dem heutigen Bauamt in der Barfüßerstraße gedacht. An diesem Ort, an dem sich vor 78 Jahren noch das Landratsamt befand, mussten sich die Sinti aus Marburg und Umgebung damals versammeln, ehe sie nach Auschwitz deportiert wurden. Die Gedenkveranstaltung fand aufgrund der Pandemie ohne Publikum statt und wurde aufgezeichnet. Es sprachen Oberbürgermeister Thomas Spieß und der Vorsitzende des Hessischen Landesverbandes deutscher Sinti und Roma, Adam Strauß. Hans Junker von der Geschichtswerkstatt Marburg verlas anschließend die Namen der Deportierten. Mit einer Schweigeminute endete die Veranstaltung.
am Sonntag, den 14.03.2021 haben Adam Strauß, Vorsitzender des Hessischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma und der Oberbürgermeister von Darmstadt, Jochen Partsch sowie Daniel Neumann Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Darmstadt und Renate Dreesen von der Initiative Denkort Güterbahnhof Darmstadt an die Deportation vor 78 Jahren gedacht, bei der 69 Darmstädter Sinti aus ihrem Leben gerissen und nach Auschwitz verschleppt wurden.
In seiner Rede betonte Adam Strauß nochmals den langen und harten Kampf der Bürgerrechtsbewegung um die Anerkennung der Minderheit als Opfer des Nationalsozialismus.
Der Sinto Robert Ebender berichtet im Video über sein Leben, die NS-Verfolgung und den anschließenden Kampf um Entschädigung.
Geboren wurde Robert Ebender in Hitzenkirchen/Hessen. Bis 1942 lebt er in Wiesbaden, besucht ab 1934 die Hebbelschule. 1938 muss die Familie die Wohnung verlassen und wird in Baracken in Biebrich untergebracht. Hier wird die Familie von RassenforscherInnen auf Romanes ausgefragt, erfasst und fotografiert. Als die Nazis seine Familie im März 1943 nach Auschwitz deportieren, bekommt er das zunächst nicht mit, weil er zu dieser Zeit in einem Heim für Jugendliche im nordhessischen Rengshausen untergebracht ist. Er selbst wird als 16jähriger dann am 9. Mai 1944 verhaftet und nach Kassel gebracht, wo er im Gefängnis noch einen Bombenangriff mit erleben muss. Von hier wurde er deportiert und kam am 27. Mai in Auschwitz-Birkenau an. Hier werden seine Mutter und vier Brüder ermordet. Er selbst kommt auf Transport in andere Lager: am 3. August 1944 erreicht er das KZ Buchenwald, wird von dort wenig später ins Außenlager Dora und dann nach Ellrich deportiert, wo er schwerste Zwangsarbeit leisten muss. Von dort geht es gegen Kriegsende auf Transport nach Oranienburg, wo Robert Ebender schließlich von russischen Soldaten befreit wird. Ab den 1950ern beginnt der Kampf um Anerkennung, den er bis in die 1990er fortführen muss.
Vor 78 Jahren, am 8. März 1943, wurden 119 Sinti von Wiesbaden aus in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Auch in diesem Jahr gedachte an diesem Tag Adam Strauß, Vorsitzender des Hessischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma gemeinsam mit dem Wiesbadener Oberbürgermeister Geert-Uwe Mende und der Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel.
Die Veranstaltung wurde musikalisch begleitet durch das Sunny Franz Duo. Aufgrund der Covid-19 Pandemie fand die Gedenkveranstaltung digital statt und kann auch weiter abgerufen werden:
Am 25. Februar 2021 fand unter der Frage HANAU UND HALLE: Ein »Angriff auf uns Alle«? ein digitaler Fachtag statt.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Vertreter*innen der an der Planung beteiligten Organisationen, zu denen auch der Landesverband gehörte, führte Gilda Sahibi als Moderatorin durch den Tag. Zuerst befasste sich Prof. Dr. Andreas Zick mit dem Versuch, eine Zustandsbeschreibung in Krisenzeiten vorzunehmen. Unter dem Titel „Zwischen Demokratieverachtung und Menschenfeindlichkeit“ gab er Einblicke in aktuelle Forschungsergebnisse. Vorab betonte er mit Blick auf den rassistischen Anschlag in Hanau noch einmal ganz persönlich, die Bedeutung des zivilgesellschaftlichen Engagements und die damit verbundene Forderung nach Aufklärung. Ohne dieses Engagement sinke die öffentliche Aufmerksamkeit schnell wieder, weshalb dieses enorm wichtig sei und auch weiterhin bleibe.
Im Anschluss daran diskutierten nach kurzen Impulsreferaten Samuel Salzborn, Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus, Markus End, Vorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung und Saba-Nur Cheema von der Bildungsstätte Anne Frank über Antisemitismus, Antiziganismus und antimuslimischen Rassismus.
Am Nachmittag konnten diese und weiter Themen dann in Workshops noch vertieft werden. Ibrahim Arslan, der selbst Überlebender des rechten Anschlags in Mölln ist, sprach über die Bedeutung des Empowerments der Betroffenen von rechtem Terror. Die Workshops von Dana Ionescu, Markus End und Nava Zarabian ging es jeweils um die kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Antiziganismus oder antimuslimischem Rassismus. Mit dem rassistischen Anschlag in Hanau und seinen Folgen befassten sich zwei weitere Workshops, einer mit Karin Zennig, aktiv in der Initiative 19. Februar und einer mit dem Filmemacher Marcin Wierzchowski und dem Überlebenden des Anschlags in der Hanauer Arena-Bar Piter Minnemann, der ebenfalls Teil der Hanauer Initiative ist.
Auf dem Abschlusspodium wurden die unterschiedlichen Perspektiven unter der Frage nach den Möglichkeiten von solidarischen und empowernden Handlungsmöglichkeiten wieder zusammengebracht. Die Vorträge und Podiumsdiskussionen des Fachtags, der neben dem Hessischen Landesverband deutscher Sinti und Roma, von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, der Katholischen Akademie Rabanus Maurus, der Bildungsstätte Anne Frank, der Diakonie Hessen, dem Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN sowie dem Religionspädagogischen Institut der EKKW und der EKH organisiert wurde, wurden aufgezeichnet und können noch nachgehört bzw. gesehen, werden. Für die Workshops ist das leider nicht möglich.
Wir Erinnern und Trauern um Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin.
Anlässlich des ersten Jahrestages des rassistischen Anschlags in Hanau vom 19. Februar besuchten Rinaldo Strauß, stellvertretender Geschäftsführer des Verband Deutscher Sinti und Roma — Landesverband Hessen und Romeo Franz, Mitglied im Stiftungsrat der Hildegard Lagrenne Stiftung und Abgeordneter von Bündnis 90/die Grünen im Europaparlament die Mahn- und Gedenkorte in Hanau.