PRESSEMITTEILUNG des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Hessen
Darmstadt, 24.02.2020
Mit großem Entsetzen und tiefer Trauer hat der Verband Dt. Sinti und Roma Landesverband Hessen auf die Nachricht von dem rassistischen Terroranschlag in Hanau reagiert. Wir sind fassungslos und stehen zusammen mit den Angehörigen und Überlebenden dieser schrecklichen Tat. Wir wünschen ihnen von Herzen die Kraft, diese furchtbare Zeit durchzustehen. Den Verletzten wünschen wir eine baldige und vollständige Genesung ihrer körperlichen und seelischen Wunden.
Neun Menschen wurden ermordet, mutmaßlich aus dem alleinigen Grund, dass sie der Täter in seiner rassistischen Verblendung als „nicht deutsch“ wahrgenommen hat. Sie wurden aus der Mitte ihres Lebens gerissen und ihren Angehörigen und Freundinnen und Freunden unendliches Leid zugefügt. Unter den Ermordeten sind mindestens zwei Angehörige der Minderheit Sinti und Roma. Mindestens ein weiterer Angehöriger unserer Minderheit wurden von dem Attentäter verletzt. Eine der Ermordeten ist eine 35-jährige Romni. Sie hinterlässt als Mutter einen 17-jährigen Sohn und eine dreijährige Tochter.
„Die Eltern der Toten mussten 20 Stunden warten, bis sie ihre Tochter sehen konnten“, berichtet Adam Strauß, Vorsitzender des Landesverbands. „Sie ist hier in Hanau aufgewachsen, zur Schule gegangen und hat hier gearbeitet. Und dann so ein Anschlag, der sagen will: Ihr gehört hier nicht her“, so Adam Strauß weiter. „Die Familie fragt sich: ist uns nicht schon genug Leid widerfahren? Muss die Geschichte sich erst wiederholen? Im Nationalsozialismus wurden ca. 500.000 Sinti und Roma vernichtet. Jede unserer Familien kann davon Geschichten erzählen. Aber nicht nur uns und andere Minderheiten hat es während des Nationalsozialismus getroffen, sondern ganze Landstriche wurden verwüstet. Und jetzt, 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus, sind wir wieder in einer Zeit, in der rechte Parteien von großen Teilen der Bevölkerung gewählt werden. Die Mordanschläge von rechtsradikalen Terroristen gehören mittlerweile zu alltäglichen Nachrichten. Hier geht es nicht mehr um Weckrufe oder Warnzeichen, sondern um unser Leben, unsere Sicherheit und unsere hart erkämpfte Freiheit. Genug ist genug: nach Hanau darf nicht wieder zum Alltagsgeschäft übergegangen werden. Es braucht wirksame Maßnahmen gegen Rechts und die tatkräftige Unterstützung von Opfern rechter Gewalttaten. Auch viele Medien haben den Rechten und ihrer Hetze jahrelang zu viel Gehör geschenkt, anstatt dass Rassismus und die Lebensrealitäten der von Rassismus Betroffenen in der Öffentlichkeit thematisiert wurden.“
Mit Bedauern stellt der Landesverband fest, dass die Opfer, Überlebenden und Angehörigen zunächst nicht benannt wurden und ihren Geschichten in den ersten Tagen nur wenig Gehör geschenkt wurden. Ihnen sollte die jetzige Zeit und Anteilnahme gelten und um sie sollte es gehen.
Für Rückfragen erreichen Sie unser Büro unter 06151 377740 oder per Email an verband@sinti-roma-hessen.de.