Zum Gedenken an den 79. Jahrestag der Märzdeportation aus Marburg

„Die Nationalsozialisten sahen keinen Grund die Deportationen zu verstecken.“

PRESSEMITTEILUNG DES HESSISCHEN LANDESVERBANDES DEUTSCHER SINTI UND ROMA

Darm­stadt, den 21.03.2022

Am 23. März 1943 wur­den 78 Mar­burg­er und Mar­burg­erin­nen und Men­schen aus der Umge­bung vom Gleis 5 des Mar­burg­er Haupt­bahn­hofes aus nach Auschwitz-Birke­nau deportiert. Der einzige Grund: sie waren Sin­ti. Auf Grund­lage des im Dezem­ber 1942 veröf­fentlicht­en Auschwitz-Erlass­es durch Hein­rich Himm­ler wur­den im März 1943 alle Sin­ti und Roma, die gefasst wer­den kon­nten, nach Auschwitz-Birke­nau deportiert. In Mar­burg war das jüng­ste Kind zwei Monate alt.

Am 23. März 2022 gedenkt der Hes­sis­che Lan­desver­band Deutsch­er Sin­ti und Roma zusam­men mit der Stadt Mar­burg mit ein­er Kranznieder­legung allen ver­fol­gten und deportierten Sin­ti und Roma.

„Unter den deportierten Sin­ti war auch mein Onkel Adam Strauß. Am hel­l­licht­en Tag musste er und die Anderen vom Lan­drat­samt durch die Stadt zum Bahn­hof marschieren. Das zeigt, dass die Nation­al­sozial­is­ten keinen Grund sahen ihr Han­deln zu ver­steck­en. Zuvor hat­te mein Onkel als Sol­dat gedi­ent, wurde jedoch 1941 aus der Wehrma­cht aus­geschlossen, weil er Sin­to war und arbeit­ete als Kraft­fahrer. Trotz­dem wurde er – so wie alle Sin­ti und Roma, egal ob Kind oder Erwach­sen­er – als ‚arbeitss­cheu‘ ver­fol­gt und deportiert. Was er in Auschwitz erlei­den musste ist in seinen Grausamkeit­en kaum vorstell­bar und den­noch wurde sein Antrag auf Rente 1958 zunächst mit der Begrün­dung abgelehnt, dass man ihn in sein­er ‚Wehlei­digkeit‘ nicht unter­stützen sollte.“, erin­nert sich Adam Strauß, Vor­sitzen­der des Hes­sis­chen Lan­desver­ban­des Deutsch­er Sin­ti und Roma „Den Völk­er­mord im Nation­al­sozial­is­mus über­lebten cir­ca 500.000 europäis­che Sin­ti und Roma nicht. Diejeni­gen, die über­lebten tru­gen tiefe Wun­den kör­per­lich und seel­isch. Dass dieses Leid bis vor fast genau 40 Jahren, dem 17. März 1982, nicht anerkan­nt wurde, war für viele eine unglaubliche Belas­tung. Unser Erin­nern heute ist auch ein Sym­bol für die Über­leben­den und ihre Hin­terbliebe­nen, dass wir hin­se­hen und ihr Leid nicht vergessen. Das Erin­nern ist aber auch wichtig für uns als Gesellschaft, um nicht zu vergessen welche Vorurteile und Aus­gren­zun­gen zum Völk­er­mord führen kon­nten. Damit Ras­sis­mus als solch­er Erkan­nt und Benan­nt wer­den kann, wenn Haut­farbe und nicht die Flucht vor Krieg und Gewalt darüber entsch­iedet, ob und wie die Men­schen über die Gren­zen Europas kom­men kön­nen, oder nicht.“

An der Gedenkver­anstal­tung hält Romano Strauß als Vertreter des Hes­sis­chen Lan­desver­ban­des Deutsch­er Sin­ti und Roma, neben dem Mar­burg­er Ober­bürg­er­meis­ter Thomas Spieß ein Gruß­wort. Gemein­sam wer­den sie einen Kranz an der Gedenk­tafel am Mar­burg­er Lan­drat­samt able­gen. Auf­grund der aktuellen Infek­tion­slage wird die Gedenkver­anstal­tung aufgeze­ich­net und die Videos wer­den auf der Home­page der Stadt Mar­burg (www.marburg.de) veröf­fentlicht.

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