PRESSEMITTEILUNG DES HESSISCHEN LANDESVERBANDES DEUTSCHER SINTI UND ROMA
Am 08.04.2022, dem internationalen Roma Tag, kam es zu einem antiziganistischen Vorfall am Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe. In Hanau stieg eine Gruppe von 34 geflüchteten ukrainischen Roma in den ICE 370 von Basel Hauptbahnhof nach Berlin Ostbahnhof zu. Nachdem die Gruppe zugestiegen war, gab es während der Zugfahrt eine Durchsage: „Aufgrund von gegeben Anlass möchten wir Sie darum bitten Ihre Wertsachen bei sich am Körper zu tragen.“ Wir gehen davon aus, dass dieser „gegebene Anlass“ die geflüchteten Roma waren. Da dies eine Kriminalisierung ist werten wir diese Durchsage als antiziganistische Diskriminierung. Aus bisher nicht bekannten Gründen sprachen die Bahnmitarbeiter der geflüchteten Gruppe ihren Flüchtlingsstatus ab und riefen die Bundespolizei. Sie warfen der Gruppe „fahren ohne Fahrschein“ und „aggressives Betteln“ vor, obwohl ukrainische Geflüchtete kostenlos die Deutsche Bahn benutzen können. Am Bahnhof „Kassel Wilhelmshöhe“ zwangen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Deutschen Bahn und der Bundespolizisten die Gruppe zum aussteigen. Dabei soll ein Polizeibeamter mehrfach gesagt haben, sie würden jetzt „durchgehen und aussortieren“. Bei der darauf folgenden Durchsuchung am Bahngleis waren die Bundespolizisten bewaffnet und ein Polizist führte einen Schäferhund mit.
Der Vorsitzende des hessischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Adam Strauß hatte direkt nach dem Vorfall die Bundespolizei kontaktiert und lückenlose Aufklärung gefordert. Er kommentiert weiter:
„Auch wenn dies nicht der erste antiziganistische Vorfall in Zusammenhang mit der Fluchtbewegung aus der Ukraine ist, schockiert mich ein solcher Vorfall sehr. Unter den ukrainischen Geflüchteten befinden sich viele Roma. Dabei wird geflüchteten Roma immer wieder ihr Flüchtlingsstatus abgesprochen. Die Gruppe wird kriminalisiert und es wird geflüchteten Roma unterstellt, sich Leistungen erschleichen zu wollen. Das sind antiziganistische Vorurteile, die aufgeklärt gehören. Diese Gruppe der geflüchteten Roma mussten in ihrem Land schon sehr viel Leid erfahren. Auf ihrer Flucht in ein sicheres Land werden sie nun zusätzlich antiziganistisch diskriminiert. Unter den ukrainischen Kriegsgeflüchteten darf es nicht Geflüchtete erster und zweiter Klasse geben. Das rassistische Vorgehen der Bahn-Mitarbeiter und der Bundespolizei muss aufgeklärt werden. Grade in einer solchen Situation brauchen alle Geflüchteten Hilfe und alle beteiligten Personen und Institutionen sollten sich mit antiziganistischer Diskriminierung auseinandersetzen.“
Der Landesverband Deutscher Sinti und Roma Hessen fordert eine schnellstmögliche Aufklärung der Vorfälle. Außerdem fordern wir von der Deutschen Bahn, der DB-Sicherheit und der Bundespolizei, dass Mitarbeitende an Sensibilisierungsmaßnahmen teilnehmen. Aus diesen Vorfällen müssen strukturelle Konsequenzen gezogen werden.