Nationalsozialismus

Von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus

Bere­its in der Weimar­er Repub­lik waren Sin­ti und Roma polizeilich­er und behördlich­er Ver­fol­gung aus­ge­set­zt. 1927 wurde für ganz Preußen die Fin­ger­ab­druck­nahme aller als „Zige­uner“ erfassten Per­so­n­en entsch­ieden. In Hes­sen wurde 1929 anschließend an das bayrische „Gesetz zur Bekämp­fung von Zige­unern, Land­fahrern und Arbeitss­cheuen“ das soge­nan­nte „Hes­sis­che Zige­unerge­setz“ erlassen. Bere­its in diesem wur­den von der Polizei als „Zige­uner“ wahrgenommene Per­so­n­en in ihrer Bewe­gungs­frei­heit eingeschränkt. Im sel­ben Jahr wurde in Frank­furt am Main an der Stadt­gren­ze zu Bad Vil­bel ein Lager für Sin­ti und Roma ein­gerichtet. Beste­hende städtis­che Pachtverträge von Sin­ti und Roma und Per­so­n­en mit fahren­dem Gewerbe wur­den aufgelöst und es gab lediglich in diesem Lager die Möglichkeit eines legalen Aufen­thaltes. Damit wurde von Seit­en der Stadt die Absicht ver­fol­gt, dass die betrof­fe­nen Men­schen über die preußisch-hes­sis­che Gren­ze nach Bad Vil­bel aus­reisen wür­den.

Die Nation­al­sozial­is­ten kon­nten in ihren Geset­zen und der Erfas­sung von Sin­ti und Roma auf eine große Samm­lung an Dat­en, Geset­zen und auch Ein­stel­lun­gen gegenüber Sin­ti und Roma zurück­greifen. Es lässt sich somit nicht von einem klaren Bruch zur vor­ange­gan­genen Poli­tik der Weimar­er Repub­lik sprechen, vielmehr nutzten die Nation­al­sozial­is­ten zunächst die bere­its beste­hen­den diskri­m­inieren­den Geset­ze und ver­schärften sie.

Verfolgung im NS und Vernichtung

Auch die Rassen­lehre, eine Pseudowis­senschaft in der die Exis­tenz unter­schiedlich­er „Rassen“ behauptet wurde und ihre ange­bliche Unter­schiedlichkeit unter­sucht wurde, war bere­its seit dem 19. Jahrhun­dert zu ein­er anerkan­nten Wis­senschaft gewor­den. Die Nation­al­sozial­is­ten baut­en auf dieser auf und legten sie zur Grund­lage ihrer ras­sis­tis­chen Poli­tik.

Ein Beispiel hier­für ist die Rassen­hy­gien­is­che Forschungsstelle unter der Leitung von Dr. Robert Rit­ter. Diese hat­ten das Ziel alle „Zige­uner“ im Deutschen Reich zu erfassen und ihre ‘Abstam­mung’ zu erforschen. Davon waren vor allem Sin­ti und Roma betrof­fen. Hier­bei ver­sucht­en sie bere­its vorher beste­hende Vorurteile zu bestäti­gen und ihre ras­sis­tis­chen Ansicht­en wis­senschaftlich zu begrün­den. Diese The­o­rien und Dat­en dien­ten schließlich als Grund­lage und Begrün­dung für die weit­eren Geset­ze.

Spätestens seit 1936 waren Sin­ti und Roma von der ras­sis­tis­chen Geset­zge­bung betrof­fen und für sie gal­ten erlassene Berufs und Beziehungsver­bote in gle­ichem Maße. Ab 1938 galt der soge­nan­nte Himm­ler-Erlass, durch welchen die polizeiliche Ver­fol­gung aller Sin­ti und Roma All­t­ag wurde. Gle­ichzeit­ig zeich­nete sich in Himm­lers Forderung ein­er „Regelung der Zige­uner­frage aus dem Wesen der Rasse her­aus“ die weit­ere Ver­fol­gungs- und Ver­nich­tungspoli­tik ab. Im fol­gen­den Jahr ver­loren Sin­ti und Roma mit dem soge­nan­nten „Fest­set­zungser­lass“ das Recht, sich frei zu bewe­gen und ihren Wohn­sitz zu wählen. Allein ein Besuch bei Ver­wandten oder die Arbeit in einem benach­barten Ort stellte ein Ver­stoß dar und kon­nte mit Konzen­tra­tionslager­haft bestraft wer­den.

Im Mai 1940 wur­den cir­ca 2800 Sin­ti und Roma nach Polen deportiert. Dort mussten die meis­ten Zwangsar­beit leis­ten und u.a. Konzen­tra­tionslager bauen, in die sie später ges­per­rt wur­den.

Im Dezem­ber 1942 befahl Himm­ler, dass alle im Deutschen Reich leben­den Sin­ti und Roma ver­nichtet wer­den soll­ten. Ab März 1943 wur­den die vorher in regionalen Lagern fest­geschriebe­nen Sin­ti und Roma in Konzen­tra­tionslager deportiert. Durch Erschießun­gen, Ver­ga­sung und die schreck­lichen Lebens- und Arbeits­be­din­gun­gen in den Lagern ver­loren die meis­ten von ihnen ihr Leben.

Ins­ge­samt ver­loren im Nation­al­sozial­is­mus cir­ca 500.000 und etwa 70% aller deutschen Sin­ti und Roma ihr Leben und es gibt keine Fam­i­lie, die nicht Ange­hörige ver­loren haben oder von der Ver­fol­gung betrof­fen war. Allein in Auschwitz-Birke­nau wur­den 20.078 Sin­ti und Roma ermordet. Viele Über­lebende waren zwangsster­il­isiert wor­den oder waren Opfer von grausame­nund men­schen­ver­ach­t­en­den medi­zinis­chen „Ver­suchen“ durch den Lager­arzt Men­gele gewe­sen.

Widerstand

Gegen die Ver­nich­tungspoli­tik der Nation­al­sozial­is­ten leis­teten Sin­ti und Roma auf unter­schiedlich­ste Weise Wider­stand: Einige begaben sich auf die Flucht und in den Unter­grund, andere sucht­en Unter­stützung und manche wider­set­zten sich kör­per­lich. Drei ver­schiedene Beispiele sollen einen Ein­blick in vielfältige Wider­stands­for­men bieten:

Gegen die ersten Durch­set­zun­gen der „Arisierung“ von Betrieben set­ze sich beispiel­sweise Anton Rose ent­ge­gen. Als der Darm­städter Kino­be­treiber auf­grund sein­er Zuge­hörigkeit zur Min­der­heit aus der Reichs­filmkam­mer 1934 aus­geschlossen wer­den sollte, legte er Wider­spruch ein. Mit diesem hat­te er zunächst Erfolg und er kon­nte bis 1937 weit­er Mit­glied der Filmkam­mer bleiben. Den­noch wur­den er und seine Fam­i­lie 1943 nach Auschwitz deportiert.

Der Box­er Johann „Ruke­li“ Troll­mann ist ein Beispiel für öffentlichen Protest. Troll­mann erboxte sich 1933 den Titel als Deutsch­er Meis­ter. Dieser wurde ihm jedoch auf­grund sein­er Zuge­hörigkeit zur Min­der­heit und dem Vor­wurf, „nicht deutsch“ zu box­en, kurz darauf aberkan­nt. Für seinen näch­sten Kampf wurde von ihm gefordert, seinen beweglichen Kampf­stil aufzugeben und „deutsch“ zu box­en. Aus Protest gegen diese Aufla­gen färbte er sich für diesen Kampf die Haare blond und pud­erte sich die Haut weiß. 1944 wurde er in einem Außen­lager des Konzen­tra­tionslagers Neuengamme ermordet.

Das bekan­nteste Beispiel für den Wider­stand von Sin­ti und Roma im Nation­al­sozial­is­mus ist der Auf­s­tand in Auschwitz am 16. Mai 1944. Alle Insassen des soge­nan­nten „Zige­uner­lagers“ in Auschwitz-Birke­nau soll­ten an diesem Tag ermordet wer­den. Diese Infor­ma­tion war zuvor zu den Häftlin­gen durch­gesick­ert. Sie ver­weigerten sich dem Befehl der SS, die Barack­en zu ver­lassen. Auf­grund ihres Wider­standes wurde der Befehl an diesem Tag schließlich nicht durchge­führt was Tausenden Men­schen das Leben ret­tete.