„Bedauernde Worte reichen nicht aus. Es braucht Antworten und Konsequenzen!“

Pressemitteilung des Hessischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma zur Jährung des Anschlags vom 19. Februar in Hanau

Am 19. Feb­ru­ar 2020 wur­den in Hanau neun Men­schen aus ras­sis­tis­chen Grün­den ermordet und viele weit­ere ver­let­zt. Der Hes­sis­che Lan­desver­band Deutsch­er Sin­ti und Roma nimmt den Jahrestag des Anschlags zum Anlass, die Forderung nach ein­er lück­en­losen Aufk­lärung zu bekräfti­gen und gle­ichzeit­ig der Opfer zu gedenken: „Von der Poli­tik und den Behör­den fordern wir Aufk­lärung, von der Gesellschaft als ganz­er erwarten wir, dass sie die Opfer nicht ver­gisst“, so Adam Strauß, Vor­sitzen­der des Hes­sis­chen Lan­desver­band Deutsch­er Sin­ti und Roma.

Es gilt die Erin­nerung an die Ermorde­ten Fer­hat Unvar, Hamza Kur­tović, Said Nesar Hashe­mi, Vili Viorel Păun, Mer­cedes Kier­pacz, Kaloy­an Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gür­büz und Gökhan Gül­tekin wachzuhal­ten und sich ins Gedächt­nis zu rufen, wozu Ras­sis­mus führen kann.

Unter den neun Ermorde­ten waren auch drei Ange­hörige der Min­der­heit der Roma. Vili Viorel Păun ist ein­er von ihnen. Er wurde nur 22 Jahre alt. Am 19. Feb­ru­ar war Vili Viorel Păun auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Dort wollte er mit seinen Eltern zusam­men Aben­dessen. Er park­te ver­mut­lich ger­ade sein Auto, als er den ersten Anschlag mit­bekam. Von dort ver­fol­gte er den Täter zum zweit­en Tatort und ver­suchte ihn aufzuhal­ten. Dabei rief er mehrere Male den polizeilichen Notruf – kam aber nicht durch. Es dauerte fast ein Jahr bis der hes­sis­che Innen­min­is­ter Peter Beuth auf öffentlichen Druck hin ein­räumte, dass der Notruf stark unterbe­set­zt war.

Der Hes­sis­che Lan­desver­band Deutsch­er Sin­ti und Roma bekräftigt die Forderung der Hin­terbliebe­nen und Ange­höri­gen nach ein­er lück­en­losen Aufk­lärung. „Nach solchen Anschlä­gen wird immer wieder lück­en­lose Aufk­lärung ver­sprochen. Die Ange­höri­gen von Vili Viorel Păun fra­gen jedoch seit einem Jahr, warum ihr Sohn die Notrufzen­trale nicht erre­ichen kon­nte. Es ist schock­ierend, dass diese Eingeständ­nisse so lange brauchen und auch Kon­se­quen­zen auf sich warten lassen. Das Hanauer Notruf­sys­tem ist bis heute noch nicht mit ein­er Anrufweit­er­leitung aus­ges­tat­tet. Das ver­spielt Ver­trauen in die Polizei und die Poli­tik und nimmt den Schmerz der Ange­höri­gen nicht ernst“, kri­tisiert Adam Strauß.

Die Wirkung des ras­sis­tis­chen Anschlags geht weit über Hanau hin­aus. Sin­ti und Roma in ganz Hes­sen verun­sichert der zunehmende Ter­ror­is­mus in Deutsch­land und Hes­sen. Den Lan­desver­band erre­icht­en in den Tagen und Wochen nach dem ras­sis­tis­chen Anschlag in Hanau ver­mehrt Anfra­gen, wie Sin­ti und Roma Com­mu­ni­ties geschützt wer­den kön­nen. Die Angst selb­st Opfer eines recht­ster­ror­is­tis­chen Anschlages zu wer­den, wächst und wird durch die Ent­täuschung über die schlep­pende Aufk­lärung nicht geringer.

„Der­jenige der die Waffe abge­feuert hat, kann nicht mehr ver­fol­gt wer­den. Das ist jedoch kein Grund die Akte zu schließen: Auch ein Jahr später sind noch zu viele Fra­gen offen!“, mah­nt Strauß. „Was zum Beispiel ist mit dem Vater des Täters? Es ist bekan­nt, dass der ähn­liche Überzeu­gun­gen besitzt, wie sein Sohn. Wieviel wusste er? Wie hat er das Welt­bild seines Sohnes geprägt? Das sind wichtige Fra­gen ins­beson­dere für die Men­schen, die weit­er­hin ohne Schutz in sein­er Nach­barschaft wohnen müssen. Erschreck­end sind auch die aktuellen Vor­würfe zu behördlichem Ver­sagen und Fehlver­hal­ten. Warum war der Notaus­gang ver­schlossen? All diese Fra­gen müssen gek­lärt und aus den Antworten Kon­se­quen­zen gezo­gen wer­den! Es kann nicht sein, dass diese The­men nur auf mas­siv­en Druck der Hin­terbliebe­nen und Über­leben­den auf die Tage­sor­d­nung kom­men!“

Um zukün­ftige Anschläge ver­hin­dern zu kön­nen, sei eine kon­se­quente Aufk­lärung notwendig. Denn nur wenn die Bere­itschaft beste­he Fehler einzugeste­hen, könne aus ihnen gel­ernt wer­den, so Adam Strauß. „Es geht hier­bei auch um unsere ganz per­sön­liche Sicher­heit und die Sicher­heit aller. Da reichen bedauernde Worte nicht aus. Es braucht Antworten und Kon­se­quen­zen“

Der Lan­desver­band möchte darüber hin­aus auf fol­gende von ihm unter­stützte Pressemit­teilun­gen aufmerk­sam machen: